Du hast von der Low-Carb-Ernährung gehört und dass sie gesund sein soll. Denn alle Kohlenhydrate kommen als Zucker in Deinem Organismus an und richten im Übermaß Schaden an. Aber wenn Du Zucker und Kohlenhydrate reduzierst, wie stellst Du dann sicher, dass Dein Gehirn mit ausreichend Energie versorgt wird?
Denn das Gehirn braucht doch Zucker, oder?
Wieviel Zucker braucht Dein Kopf wirklich?
“Expertenmeinungen” zu Low Carb
“Low Carb”, das ist Englisch und bezeichnet eine Ernährungsform, die mit wenigen Kohlenhydraten auskommt. Ich habe zu dem Thema “Low Carb bei Autoimmunerkrankungen” schon einen Artikel veröffentlicht. Auch eine AIP-, Paleo– oder Ketogene Ernährung liefert in der Regel deutlich weniger Kohlenhydrate als die westliche Standard-Ernährung. Wobei letztere sozusagen die Verschärfung von “Low Carb” darstellt und AIP- bzw. Paleo durchaus auch kohlenhydratintensiv gelebt werden können.
Wenn ich über Low Carb spreche, dann kommen immer wieder Menschen auf mich zu um mir zu sagen, dies sei gefährlich. Wir sollten nicht so wenig Kohlenhydrate zu uns nehmen, da unser Gehirn und bestimmte andere Bereiche unseres Körpers mehr davon benötigten, um ordentlich zu funktionieren.
Auch viele sogenannte Experten und Ärzte äußern sich ähnlich.
Sie alle werden durch die Lebensmittelindustrie unterstützt, die uns mit zucker- und kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln aus billigen Zutaten versorgen möchte.
Wo kommt das denn eigentlich her und was ist dran an den Behauptungen?
Unser Zuckerstoffwechsel
Komm mal mit mir mit und tauche ein bisschen in unsere menschliche Biochemie ein! Ich verspreche Dir, es wird nicht schwer zu verstehen sein.
Wir schauen auf unseren Zuckerstoffwechsel, der auch Glukosestoffwechsel genannt wird.
Die kleinste Ebene unseres menschlichen Körpers bilden unsere Körperzellen. Davon gibt es ganz unterschiedliche, je nachdem, wo sie sind und welche Aufgaben sie haben.
Grundsätzlich können unsere Körperzellen Glukose (also Zucker), Fett oder auch Ketonkörper verbrennen. Unsere Haupt-Energielieferanten sind dabei Fett und Glukose. Einige Zellen bilden hier aber eine Ausnahme, denn sie können kein Fett verbrennen. Dazu gehören die roten Blutkörperchen, bestimmte Gehirnzellen und auch Zellen im Auge. Sie sind also auf Zucker angewiesen. Und deswegen müssen wir Glukose in Form von Kohlenhydraten zu uns nehmen. Stimmt’s?
Ganz so leicht ist es nun nicht.
Unsere menschliche Glukose-Versorgung
In unserer menschlichen Vergangenheit gab es nicht immer eine gleichbleibende Versorgung mit Kohlenhydraten oder Zucker. Denke bitte an die Zeit, als die Menschen noch nicht sesshaft waren – also vielleicht 20.000 Jahre zurück! Wir haben in dieser Zeit “von der Hand in den Mund” gelebt. Wir konnten keine Lebensmittel lagern, jedenfalls nicht über nennenswerte Zeiträume.
Das bedeutet, dass wir uns von dem ernährt haben, was die Natur, in der wir lebten, hergab.
In unseren Breitengraden war das im Winter oder auch Frühjahr nicht unbedingt viel, wenn wir uns auf Pflanzen konzentrierten. Tiere waren wahrscheinlich eine Nahrungsquelle, die das ganze Jahr über mehr oder weniger erreichbar war.
Okay, im Winter und im Frühjahr nahmen wir Menschen also wahrscheinlich wenig Pflanzennahrung zu uns. Wenn wir Glück hatten, konnten wir uns von Tieren ernähren. Oder wir aßen gar nichts. Heute nennen wir das Fasten.
Tierische Nahrung liefert Eiweiß und Fett, aber nur in sehr geringen Mengen (wenn überhaupt) Kohlenhydrate. Wie haben wir in der ganzen langen Zeit ohne einen gleichmäßigen Strom von Glukose überlebt?
Unser Körper macht sich seine Glukose selbst
Erstaunlich, aber war: unser Körper kann Glukose selbst herstellen.
Generell erhalten wir Glukose aus verschiedenen Quellen:
- verzehrte Kohlenhydrate
- körpereigene oder verzehrte Eiweiße
- körpereigene oder verzehrte Fette
Vielleicht haben einige der Experten die Biochemie im Zusammenhang mit Glukose wieder vergessen?
Unsere Leber – ich nenne sie auch gerne “das Zauberorgan” – ist perfekt dafür ausgerichtet, Glukose herzustellen. Den Vorgang nennt man Glukoneogenese. Wenn Du Dir dieses Wort zerlegst, ist es leichter zu verinnerlichen:
- Gluko steht für “Glukose”
- neo steht für “neu”
- genese steht für “Produktion”
Glukoneogenese im Detail
So funktioniert die Glukoneogenese aus Eiweißen:
Ein Eiweiß-Molekül besteht aus Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.
Dagegen besteht ein Glukose-Molekül aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.
Die Leber kann im Rahmen der Glukoneogenese den Stickstoff vom Eiweiß abspalten, um so Glukose zu erhalten.
Beim Aufspalten von Fetten wird Glukose auf andere Art und Weise erzeugt:
Fette nehmen wir als sogenannte Triglyzeride zu uns. Auch wenn wir unsere Fettpölsterchen aufbauen, sind dort Triglyzeride gespeichert. Jedes Triglyzerid-Molekül besteht aus Glyzerin und drei Fettsäuren. Zur Veranschaulichung habe ich Dir hier ein Bild gemalt:
Die Fettsäuren in den Triglyzeriden können gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren sein.
Wenn wir Fett als Energielieferant für unsere Zellen nutzen wollen, müssen wir dafür Triglyzeride aufspalten. Denn als Brennstoff eignen sich nicht die zusammengesetzten Triglyzeride, sondern die Fettsäuren. Mittels des Hormons Glukagon und der Leber kann unser Körper Triglyzeride zu Fettsäuren aufspalten, sodass diese nun als freie Fettsäuren verwendet werden können, unter anderem zur Energieerzeugung.
Beim Fett-Aufspalten fällt sozusagen noch ein Nebenprodukt an: das Glyzerin. Dieses Glyzerin wird in der Leber zur Neubildung von Glukose (also Zucker) verwendet. Über diesen Prozess können innerhalb eines Tages bis zu 20 Gramm Glukose hergestellt werden.1
Führt Glukoneogenese zu Muskelabbau?
Das komplizierte Wort “Glukoneogenese” jagt gestandenen Menschen leider immer noch reihenweise Angst ein. Aber warum?
Das kommt daher, dass eben der Körper den Blutzuckerspiegel in einem relativ engen Bereich halten möchte. Es darf nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Glukose im Blut vorhanden sein. Beides wäre lebensgefährlich.
Wie ich oben beschrieben habe, verfügt die Leber über die Fähigkeit, Glukose herzustellen. Sie macht das nach Bedarf. Das bedeutet: wenn der Blutzuckerspiegel sehr niedrig ist, fertigt die Leber Glukose an.
Für Menschen, die in ihrer körpereigenen Energieversorgung auf Glukose angewiesen sind, kann dieser Zustand relativ plötzlich erreicht werden. Denn sie haben Schwierigkeiten, alternativ Fett zu verbrennen. Ich nenne sie in diesem Artikel einmal Zuckerverbrenner.
Wenn ein Zuckerverbrenner Sport macht oder Stress hat, braucht er relativ viel Glukose für seine Zellen. Leider haben wir Menschen nur sehr begrenzte Glukosespeicher. Glukose können wir in der Leber und in Muskeln speichern. Sie heißt dann Glykogen.
Die Glykogenspeicher sind an einem stressigen Tag oder bei einem ambitionierten Training schnell aufgebraucht. Das bedeutet, im Blut schwimmt wenig Glukose herum (die hat der Zuckerverbrenner gerade im Training verbrannt) und auch die Glykogenspeicher wurden “geplündert”, um den Bedarf zu decken. Der Blutzuckerspiegel wird immer niedriger.
Die Leber holt nun ihren Zauberstab und produziert neue Glukose, indem sie Eiweiß aufspaltet (siehe oben). Aber woher bekommt sie das ganze Eiweiß? Sie bekommt es aus körpereigenen Quellen, zum Beispiel dem Muskelgewebe des Zuckerverbrenners. Und so kann das rigorose Training auch dazu führen, dass Muskeln nicht auf- sondern abgebaut werden. Wenn das kein Grund zur Angst ist!
Um das zu verhindern, nehmen Zuckerverbrenner gern nach dem Training (manche auch davor) Kohlenhydrate zu sich. Diese werden über die Verdauung zu Glukose aufgespalten und können helfen, die Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufzufüllen.
Keine Angst vor Glukoneogenese!
Musst Du also jetzt komplizierte Rechentabellen dabei haben, wenn Du etwas mehr trainierst? Wie kannst Du die Balance zwischen verbrauchtem Glykogen, verbrannter Glukose und Deinem Muskelvolumen erhalten?
Keine Angst! Die oben beschriebene Situation des Muskelabbaus trifft vornehmlich für Zuckerverbrenner zu. Wenn Du auch regelmäßig Fett verbrennst, bist Du in einer anderen “Kategorie”.
Die Glukoneogenese findet nämlich immer genau in dem Umfang statt, wie Dein Körper tatsächlich Energie benötigt. Wenn er gerne Fett verbrennt, hast Du schon einen großen Anteil über Deine körpereigenen Reserven gedeckt. Die Glukoneogenese ist hier wahrscheinlich nur ein kleines Lüftchen im Vergleich zu dem rauhen Wind, den der Zuckerverbrenner jedes Mal benötigt.
Wenn Du gerade ein Zuckerverbrenner bist und lieber ein Fettverbrenner werden möchtest, dann hilft Dir dabei die Low-Carb-Ernährung. Stelle Dich nach und nach um und staune, was es für einen Unterschied macht!
Was kann das Gehirn verbrennen?
Eingangs hatte ich schon erwähnt, dass unser Gehirn Fett nicht unbedingt verbrennen kann. Trotzdem hat es einen relativ hohen Energiebedarf. Durchschnittlich kannst Du davon ausgehen, dass Du ungefähr 20% Deiner täglichen Energie für Dein Gehirn brauchst.
Wenn es also kein (oder kaum) Fett verbrennen kann und wir wenig (oder sehr wenig) Kohlenhydrate zu uns nehmen, wie bekommt das Gehirn dann seine so dringend benötigte Energie?
Hier kommt die Fettverbrennung ins Spiel: durch die Fettverbrennung fallen täglich durch die Aufspaltung der Triglyzeride (siehe oben) bis zu 20 Gramm Glukose an.
Der körperweite Bedarf an Glukose ist zusätzlich sehr stark vom gesamten Stoffwechselgeschehen abhängig. Für Zuckerverbrenner liegt er bei 150 Gramm am Tag. Menschen, die regelmäßig Fett verbrennen, bezeichnen wir heute auch als “fett-adaptiert” oder “keto-adaptiert”. Sie haben einen deutlich niedrigeren Glukose-Bedarf, nämlich nur rund 50 Gramm täglich.
Nun kann die Leber bis zu 150 Gramm Glukose am Tag herstellen. Diese sind ja jetzt gar nicht mehr nötig, wenn Du einen reduzierten Bedarf hast.
Zusätzlich gibt es noch die dritte Energieform, die ich ganz am Anfang des Artikels erwähnte: Ketonkörper. Sie werden auch Ketone genannt und sind sehr interessant für unseren Stoffwechsel. Ketonkörper fallen ebenfalls im Rahmen der Verstoffwechslung von Triglyzeriden an. Ketone selbst werden beispielsweise vom Gehirn als Energielieferant bevorzugt. “Es bevorzugt sie sogar, auch wenn Glukose (Zucker) zu Verfügung steht.”3
Wenn Du viel Fett verbrennst, hast Du also über die Glukose aus der Glukoneogenese und Ketone ausreichend Energie, Dein anspruchsvolles Gehirn ordentlich zu versorgen. Das merken auch viele Anhänger der ketogenen Ernährung, da sie sich “viel klarer im Kopf” fühlen.
Dein Kopf braucht überhaupt keinen Zucker
Aus Sicht der Biochemie brauchst Du also überhaupt keinen Zucker zu Dir zu nehmen – auch nicht in Form von Kohlenhydraten – um die Energieversorgung für Dein Gehirn sicher zu stellen. Viele Menschen berichten auch von einem deutlich gesteigerten Wohlbefinden (inklusive Klarheit im Kopf), seit dem sie Kohlenhydrate maßgeblich reduziert haben.
Deine Auslöser für fehlende Klarheit im Kopf, Müdigkeit und ständige Gewichtszunahme
Wenn Du zur Zeit noch ein Zuckerverbrenner bist, möchte ich Dich ermuntern, den Weg der reduzierten Kohlenhydrate einmal auszuprobieren. Bitte gehe es langsam an und gib Deinem Körper Zeit, sich nach und nach auf die geänderte Energiezufuhr einzustellen!
Wenn Dich noch weitere Auslöser für Müdigkeit und stetige Gewichtszunahme interessieren, dann schau unbedingt in meine gratis Hashimoto-Checkliste. In diesem Geschenk von mir an Dich bekommst Du Anregungen für Deine eigene Reise zu mehr Lebensfreude. Lade Dir gleich meine Liste herunter!
1 Alonzo Englebert Taylor 1912. Digestion and Metabolism: The Physiological and Pathological Chemistry of Nutrition, For Students and Physicians
2 Aristo Vojdani, Igal Tarash 2013. Cross-Reaction between Gliadin and Different Food and Tissue Antigens
3 Julia Tulipan in unserem Interview “Ketogene Ernährung für Menschen mit Autoimmunerkrankung“
Foto: Morgan Housel @ Unsplash
Bild: Genuss und Glück, Mickley
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Franziska hat sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autoimmunerkrankung(en) spezialisiert. Dabei richtet sie ihr Handeln an der menschlichen Natur aus: jeder Schritt zu "mehr Mensch" ist ein Schritt in Richtung gesteigerter menschlicher Gesundheit. Das bedeutet auch, durch gesunde Ernährung und Lebensweise Krankheiten möglichst gar nicht erst zuzulassen. Franziskas Artikel liefern nicht nur Wissen sondern auch Rezeptideen, denn sie ist durch ihre eigene gesundheitliche Reise zu einer kreativen Köchin geworden.
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