Was ist das Autoimmunprotokoll?
Hast Du schon von der Paleo-Ernährung gehört? Das Autoimmunprotokoll – auch AIP genannt – ist eine spezielle Form von Paleo, die um einiges restriktiver ist als seine große Schwester. Die relativ umfangreichen Einschränkungen innerhalb des AIP zielen darauf ab, alle Lebensmittel zu eliminieren, die potenziell allergene, autoimmune oder entzündliche Reaktionen hervorrufen können. So sollen Autoimmunerkrankungen positiv beeinflusst werden. Das AIP ist ein potentes Instrument, das entwickelt wurde, um chronische Entzündungen im Körper zu reduzieren, einen gesunden Verdauungstrakt wiederherzustellen und das Immunsystem zu regulieren.
Foto: Genuss und Glück, Mickley
Experten gehen davon aus, dass jeder Körper erstaunliche Fähigkeiten zur Selbstheilung hat, wenn ihm nur die Gelegenheit dazu gegeben wird. Die Grundprinzipien des Autoimmunprotokolls beruhen auf dieser Theorie. Die wichtigste Entwicklerin des AIP, Dr. Sarah Ballantyne, betont, dass durch den Verzehr von richtigen Lebensmitteln und durch die dadurch vorhandene hohe Nährstoffdichte die Voraussetzungen für eine Heilung geschaffen und die Auswirkungen einer Autoimmunkrankheit rückgängig gemacht werden können.
Kurz gesagt wird eine Autoimmunkrankheit dadurch verursacht, dass das Immunsystem versehentlich den eigenen Körper und Organe angreift, anstatt sie zu schützen. Ich hatte in diesem Artikel bereits darüber berichtet. Bei fast allen Autoimmunkrankheiten ist eine Darmdysbiose (gekennzeichtnet durch die falsche Art oder falsche Anzahl von Bakterien im Darm) und ein undichter Darm (erhöhte Darmdurchlässigkeit, Leaky-Gut-Syndrom) beteiligt. Die gute Nachricht ist, dass wir mit einer angemessenen Ernährung und einigen grundlegenden Veränderungen des Lebensstils unserem Darm helfen und unser Immunsystem regulieren können.
Das Autoimmunprotokoll wird in drei Phasen unterteilt:
- Eliminationsphase
- Wiedereinführungsphase
- Erhaltungsphase
Die Eliminationsphase
In der Eliminationsphase werden folgende Änderungen umgesetzt:
- Alle Lebensmittel, die potenziell chronische schädliche Entzündungen verursachen und den Darm reizen, werden vom Speiseplan entfernt.
- Nährstoffreiche Lebensmittel werden hinzugefügt, um den Körper mit den Bausteinen zu versorgen, die benötigt werden, um den Darm zu reparieren und zu heilen.
Du eliminierst Getreide (glutentenhaltiges, glutenfreies und auch Pseudogetreide), Hülsenfrüchte (einschließlich Soja und Erdnüssen), Milchprodukte, Eier, Nachtschattengewächse (zum Beispiel Kartoffeln, Paprika und Tomaten), Nüsse und Samen (einschließlich Kaffee und Kakao), Alkohol und verarbeitete Nahrungsmittel, die Chemikalien, Zusatzstoffe und raffinierte Zutaten wie Weißzucker enthalten.
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Manche Menschen, die das AIP befolgen, beseitigen alle diese entzündlichen Nahrungsmittel auf einmal. Andere bevorzugen einen schrittweisen Ansatz. Am Ende zählt beim AIP immer Dein volles Engagement, ob Du tatsächlich kopfüber ins kalte Wasser springst oder erst langsam mit den Zehen eintauchst. Es gibt hier also keinen 70/30- oder 80/20-Ansatz. Du musst Dich vollständig auf die Eliminationsphase einlassen, um Verbesserungen zu spüren.
Füge unbedingt nährstoffreiche Nahrungsmittel wie Fleisch von grasgefütterten Tieren, Innereien, wild-gefangenen Fisch und Meeresfrüchte, eine große Vielfalt von sowohl grünem als auch buntem Gemüse, Obst, gesunden Fetten, fermentierten Nahrungsmitteln und Knochenbrühe hinzu.
Beim AIP geht es nicht darum, seltene, exotische Zutaten zu benutzen. Es geht darum, zu den Grundlagen des Essens zurückzukehren – zu einfachen, echten Zutaten, die die Gesundheit fördern, anstatt Entzündungen zu verursachen. In Wahrheit ist das Autoimmunprotokoll eine sehr einfache und potenziell heilende Ernährungsweise, die Du wirklich genießen kannst. Hier – auf Genuss und Glück – werde ich immer wieder AIP-Rezepte veröffentlichen, die köstlich und einfach in der Zubereitung sind. Du brauchts mehr Inspiration? Dann sieh Dir auch andere AIP-Kochbücher an, die in der Regel mit nützlichen Informationen, Ja- und Nein-Essenslisten und einer ganzen Sammlung von leckeren Rezepten gefüllt sind. Die englischsprachige Literatur ist voll von Ideen: es gibt mittlerweile wirklich hunderte von AIP-Blogs und auch einige Kochbücher mit leckeren Rezepten. Ich habe hier ein paar deutschsprachige Exemplare aufgelistet:
- Das Autoimmun Paleo-Kochbuch: Das erfolgreiche Protokoll bei Allergien, Hashimoto, Zöliakie und weiteren chronischen Krankheiten von Mickey Trescott
- Das Autoimmun-Kochbuch: Leckere Rezepte nach dem Autoimmun-Protokoll von Angie Alt
- AIP-Paleo Rezepte: für die Eliminationsphase und Stufe 1 von Doris Carstens
- Paleo-Autoimmun-Therapie: Das Kochbuch von Rachael Bryant
- Paleo-Autoimmun-Therapie: Das Kochbuch mit leckeren Rezepten nach dem Autoimmun-Protokoll. Mit der richtigen Ernährung gesund werden. von Lisa Weise
Wie lange die Eliminationsphase dauert, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wir gehen davon aus, dass jeder mindestens 30 Tage dabei bleiben sollte, obwohl es besser ist, drei bis vier Monate durchzuhalten. Manche Menschen – oft diejenigen, die schwer krank sind und viel Zeit zur Heilung benötigen – warten ein ganzes Jahr, bevor sie zur nächsten Phase übergehen.
Eine Studie aus dem Jahr 2017 beschreibt die Wirksamkeit des Autoimmunprotokolls bei entzündliche Darmerkrankungen. 15 Patienten mit entweder Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa wurden als Teilnehmer in die Studie aufgenommen. Im Durchschnitt hatten die Probanden seit 19 Jahren mit ihrer Krankheit zu tun.
Während des Beobachtungszeitraums verbrachten die Teilnehmer sechs Wochen damit, alle “verbotenen” Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen, wobei sie Sarah Ballantynes Buch über das Autoimmunprotokoll als Leitfaden benutzten. Danach blieben sie mindestens weitere fünf Wochen in der Eliminationsphase. Elf der 15 Teilnehmer berichteten danach von einer vollständigen Remission ihrer Symptome. Nach dem sie durchschnittlich 19 Jahre damit zugebracht hatten, die nächste Möglichkeit zum Toilettengang immer im Blick zu haben, war das AIP wahrscheinlich eine riesen Erleichterung. Und auch wenn es nur eine sehr kleine nicht randomisierte Studie war und es auch keine Kontrollgruppe gab, ist dies immer noch ein beeindruckendes Ergebnis und klingt verheißungsvoll für andere Autoimmunkrankheiten.
Die Wiedereinführungsphase
Je länger Du mit der Wiedereinführungsphase wartest, desto größer ist die Chance, dass Dein Körper heilen und sich auf neue Lebensmittel vorbereiten kann. Bitte widerstehe der Versuchung, die Wiedereinführung zu schnell zu beginnen, nur um Dein Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln zu befriedigen. Es lohnt sich, die nötige Zeit zu warten.
In der Wiedereinführungsphase nimmst Du Schritt für Schritt Nahrungsmittel, die Du zuvor ausgeschlossen hattest, wieder in Deinen täglichen Speiseplan auf. Das Ergebnis dieses Wiedereinführungsprozesses (das heißt die Lebensmittel, die von nun an zum Leben für Dich dazu gehören) ist für jeden unterschiedlich und hängt stark von den eigenen Verträglichkeiten ab.
Das grundlegende Verfahren zur Wiedereinführung von Lebensmitteln sieht vor, dass Du ausgewählte neue Lebensmittel mehrmals im Laufe des Tages zu Dir nimmst und dabei Deinen Körper auf Symptome überwachst. Führe neue Nahrungsmittel unbedingt nacheinander ein und beeile Dich dabei nicht. Wenn Du während des Prozesses zu irgendeinem Zeitpunkt Symptome bemerkst, hör’ sofort auf, das neu eingeführte Essen zu essen und versuche es erneut, nachdem sich Deine Symptome vollständig aufgelöst haben.
Die Erhaltungsphase
Der Prozess der Wiedereinführung des Autoimmunprotokolls hilft Dir herauszufinden, welche Lebensmittel in Deinem Körper Entzündungen und Autoimmunerscheinungen auslösen. In der anschließenden Erhaltungsphase hätst Du alles zusammen. An diesem Punkt wird Deine Ernährung wahrscheinlich wie eine Mischung zwischen striktem AIP und einer Standard-Paleo-Ernährung aussehen. Dies wird Deine sogenannte Erhaltungs-Ernährung sein. So einzigartig wie Du sind auch die Auswahl der Lebensmittel, die für Dich gesund sind.
Du solltest wissen, dass die Lebensmittel, die Du gut verträgst, im Laufe der Zeit variieren können. Ein Lebensmittel, das Du in der Vergangenheit erfolgreich wieder eingeführt hast, könnte in Zukunft wieder problematisch werden, insbesondere wenn Dein Gleichgewicht durch Stress, schlechten Schlaf, Infektionen usw. beeinträchtigt ist. Aus diesem Grund ist es wichtig, wachsam zu sein und auf subtile und manchmal erst nach Tagen eintretende Symptome zu achten. Sei bereit, irgendwelche auslösenden Nahrungsmittel von Deinem Speiseplan erneut zu streichen, wenn Du bemerkst, dass sich Symptome einschleichen.
In der Regel ist es eine gute Idee, jedes Mal, wenn Du ein Wiederaufleben alter Autoimmun-Symptome erlebst oder bei Dir neue Autoimmun-Symptome beobachtest, in die Eliminationsphase zurückzukehren, bis sich Deine Symptome vollständig aufgelöst haben.
Dein Leben geht weiter und Du kannst mit neuen Nahrungsmitteln experimentieren. Beachte dabei die Grundprinzipien des Autoimmunprotokolls:
- Nährstoffdichte priorisieren
- eine große Vielfalt an gesundheitsfördernden Lebensmitteln essen
- Darm gesund erhalten
Zeit zum Feiern
Verpasse nicht, spätestens in der Erhaltungsphase einmal auf das Erreichte zurück zu blicken und die Erfolge zu würdigen, die Du in der Zwischenzeit erzielt hast! Wahrscheinlich haben sich einige Deiner Symptome mit dem Autoimmunprotokoll verringert oder sind sogar komplett verschwunden? Gönn’ Dir etwas! Hatte ich schon erwähnt, dass innerhalb des AIP köstliche Mahlzeiten inklusive raffinierter Süßspeisen möglich sind? Das gilt auch für die strenge erste Phase der Elimination.
Foto: Genuss und Glück, Mickley
Weiterführende Informationen
Wenn Du tiefer in die wissenschaftlichen Aspekte des Autoimmunprotokolls eintauchen möchtest, empfehle ich Dir das Buch Die Paläo-Therapie: Stoppen Sie Autoimmunerkrankungen mit der richtigen Ernährung und werden Sie wieder gesund von Dr. Sarah Ballantyne.
Herausforderungen des Autoimmunprotokolls
Wenn Du bis hierher gelesen hast, ist Dir sicher aufgefallen, dass das Autoimmunprotokoll von den Beteiligten sehr viel Durchhaltevermögen und Disziplin abverlangt, zumindest in der ersten Eliminationsphase. Viele Menschen, die das AIP befolgen, berichten auch, dass es oftmals für ihre Freunde und Familienmitglieder sogar schwieriger sei als für sie selbst, mit der neuen Situation umzugehen. Gerade dieser Aspekt ist bei der Umsetzung sehr wichtig: hol’ Dir Unterstützung aus Deinem Umfeld! Vielleicht kannst Du mit Artikeln wie diesem hier Deinen Partner oder Deine Partnerin, Kinder, Eltern und Freunde vorbereiten und informieren?
Leider bietet das AIP keine Sicherheit, wirklich alle potentiellen Auslöser zu finden, da manch einer auf Lebensmittel reagiert, die während der strengen Eliminationsphase zugelassen sind oder es gab Ereignisse im Leben, die innerhalb des Körpers bestimmte “Spuren” hinterlassen haben. In diesen Fällen wird die Suche etwas komplizierter. Du solltest darüber nachdenken, einen versierten Therapeuten oder Coach hinzu zu ziehen.
Ich persönlich sehe einen wichtigen Nachteil im AIP: Die Idee, nach und nach die Lebensmittel wieder einzuführen, die in der Eliminationsphase ausgeschlossen wurden, macht keinen Halt vor Getreide und Hülsenfrüchten. Beide Nahrungsmittelgruppen reizen bekanntlich unseren Darm über die enthaltenen Lektine und machen bestimmte Inhaltsstoffe für uns unbrauchbar über ihren hohen Anteil an Phytinsäure. Lies darüber auch in diesem Artikel über die Paleo-Ernährung. Manche Menschen haben – auch nach dem Befolgen des strengen Autoimmunprotokolls – kein sensibles Körpergefühl und erhalten von ihrem Körper keine direkte Rückmeldung, ob ein Nahrungsmittel gerade gut oder schlecht für sie ist. Diese Menschen führen also Lebensmittel wieder ein, ohne etwas über deren Entzündungspotenzial zu erfahren.
Bitte beachte auch, dass das AIP keine Vorgaben bezüglich der Makronährstoffverteilung (wie viele Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße sollten wir essen?) macht. Dr. Sarah Ballantyne schreibt dazu: “Paläo ist nicht Low Carb, aber eben auch nicht ‘High Carb'”1. Und weiter rät die Expertin dazu, viel Gemüse zu essen, wegen der Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Antioxidantien, und genug Eiweiß.
Fazit
Das Autoimmunprotokoll bietet ein großes Potenzial, das Wohlbefinden von Menschen zu verbessern, die – wie Autoimmunerkrankte – “unerklärliche” Entzündungen im Körper haben. Der wissenschaftliche Ansatz beschreibt, warum das AIP wirksam sein kann. Es gibt eine erste Studie und tausende Erfolgsgeschichten von Menschen, die das AIP befolgt haben. Für viele ist es der Hoffnungsschimmer am Horizont.
Auf der anderen Seite: nicht jeder benötigt das Autoimmunprotokoll und die Herausforderungen, die die Organisation dieses zugegeben sehr ausgefeilten Protokolls hervorrufen kann, da nicht für jeden die Auslöser in Kaffee, Tomate und Co. liegen. Unter Umständen könnte es aber sinnvoll sein – insbesondere bei einer vorliegenden Autoimmunerkrankung, deren Symptome sich auch bei anderen im Grunde hilfreichen Ernährungsweisen nicht bessern – den erhöhten Aufwand in Kauf zu nehmen und das AIP auszuprobieren.
Bist Du gerade dabei, Dein Ernährung zu überdenken? Dann schau auf jeden Fall einmal in meiner Facebook-Gruppe “Know-How-Transfer über Nährstoffe, die ankommen” vorbei. Dort gibt es jede Menge Energieimpulse, genau für Dich.
1S. Ballantyne 2016. Die Paläo-Therapie – Stoppen Sie Autoimmunerkrankungen mit der richtigen Ernährung und werden Sie wieder gesund. 220
Fotos: Genuss und Glück, Mickley
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Franziska hat sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autoimmunerkrankung(en) spezialisiert. Dabei richtet sie ihr Handeln an der menschlichen Natur aus: jeder Schritt zu "mehr Mensch" ist ein Schritt in Richtung gesteigerter menschlicher Gesundheit. Das bedeutet auch, durch gesunde Ernährung und Lebensweise Krankheiten möglichst gar nicht erst zuzulassen. Franziskas Artikel liefern nicht nur Wissen sondern auch Rezeptideen, denn sie ist durch ihre eigene gesundheitliche Reise zu einer kreativen Köchin geworden.
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